PEOPLE PLEASING - warum uns ständiges Gefallen-Wollen erschöpft und wie wir aus der Spirale von Schuld, Scham und Angst zu einem authentischen Ich finden
- Birgit, CORE psychologische Beratung
- 27. Mai
- 16 Min. Lesezeit

Fühlst du dich oft erschöpft, weil du wieder einmal mehr „Ja“ gesagt hast, obwohl eigentlich ein „Nein“ angebracht gewesen wäre?
Fällt es dir schwer, anzuerkennen, dass du täglich dein Bestes (für andere) gibst, während du dir selbst zu wenig Raum nimmst?
Powerst du dich aus und betrachtest du dich ständig kritisch, anstatt dich für all das zu feiern, was du täglich leistest?
Dann bist du vielleicht auch ein People Pleaser!
Dieser Blog Beitrag soll nicht nur das Phänomen des People Pleasings (kurz PP) erklären und mehr Sensibilisierung bei den Betroffenen schaffen oder Tools anbieten, wie man für sich etwas verändern kann. Dieser Artikel soll dazu beitragen, dass Betroffene in Kontakt mit sich selbst kommen und Selbstbewusstsein entwickeln. Kommen wir in Kontakt mit unserem Wesenskern, wird es uns möglich, uns unserer eigenen Gefühle, Werte, Bedürfnisse, Glaubenssätze und Annahmen bewusst zu werden und die Erkenntnisse für unser Verhalten und unsere Entscheidungen zu nutzen. Dies ist auch mein wesentlicher Ansatz in der Beratung!
Denn: ein Problem zu verstehen, entlastet und ist der erste Schritt für Veränderung.
Viel Spass beim Lesen und auf wundervolle Erkenntnisse auf dem Weg zu dir selbst!
„Sometimes you aren´t listening to your soul because you are listening to everybody else´s expectations.“
Was macht uns zu People-Pleasern?
Grundsätzlich sind gerade Eigenschaften, die als gemeinhin positiv empfunden werden, bei PP. überdurchschnittlich ausgeprägt. Sie sind sensibel, empfinden tief und haben sehr feine Antennen für ihr Umfeld. Leider können die Verhaltensweisen, die aus solchen Wesenszügen oft resultieren, schnell zur Belastung werden. PP-Muster sind bei Betroffenen unterschiedlich stark ausgeprägt.
Als Menschen haben wir alle 4 psychologische Grundbedürfnisse. Wir wollen uns zugehörig fühlen, verlieren ungern die Kontrolle, bekommen gerne unseren Selbstwert von außen gestärkt, möchten ein Mehr an lustvollen Erfahrungen und unangenehme Erfahrungen vermeiden. Täglich soll unser Verhalten der Erfüllung dieser Bedürfnisse dienen! Dabei unterscheiden wir uns in der Präferenz, welche Grundbedürfnisse uns wichtiger sind und welche weniger wichtig.
Bei PP sind das Streben nach Bindung und die Stärkung des Selbstwerts durch Erfahrungen im Außen zentral. Legen wir unseren Fokus auf die Befriedigung von Bedürfnissen anderer, weil wir glauben so tragfähige Bindungen aufbauen zu können und unseren Selbstwert nähren zu können, kommt es unweigerlich dazu, dass wir den Kontakt zu uns Selbst verlieren. PP machen sich überdurchschnittlich viele Gedanken, was andere von ihnen denken und richten ihr gesamtes Fühlen, Denken und Handeln danach aus. Sie fühlen sich überdurchschnittlich stark dafür verantwortlich, dass es Anderen gut geht. Der Gedanke anzuecken und Konflikte auszutragen löst in PP starkes Unwohlsein aus. Durch den starken Fokus im Außen entfremden sich PP davon, was sie selbst brauchen und wollen.
Die übrigen Grundbedürfnisse werden komplett vernachlässigt. So kann es zum Beispiel sein, dass PP selbst ihre körperlichen Bedürfnisse nicht befriedigen (essen, trinken) wenn sie um Hilfe gebeten werden, da sie im Glauben sind, dass das Anliegen des Gegenübers immer wichtiger sei. PP hat immer ein Ziel: Ich tue etwas oder nicht, damit mich andere mögen. Auch mit den eigenen Interessen und Meinungen halten sich PP zurück, denn wer seine Meinung äußert und „Nein“ sagt, riskiert natürlich auch Konflikte und verliert damit die Zugehörigkeit- so die Angst des PP.
„The only people who get upset when you set boundaries are those who benefit from you having none.“
PP und seine Kumpanen Angst, Scham & Schuld
Das Verhalten von PP wird vom Unterdrücken wollen unangenehmer Gefühle gespeist. Vorrangig sind dies die Angst vor Ablehnung und Gefühle wie Scham & Schuld, wenn sie ihren eigenen hohen Ansprüchen nicht gerecht werden. In der Regel werden die unangenehmen Gefühle weggedrückt und eine oder mehrere der nachfolgenden Schutzstrategien ergriffen:
Überanpassung: man tut nur noch, was man glaubt, das andere erwarten.
Überkompensation durch Perfektionismus
Selbstaufopferung: sich das „Nein“ verbieten
Auflösung: Entfremdung von eigenen Wünschen und Interessen

Schutzstrategien dienen dazu, die eigenen Gefühle von Angst, Scham und Schuld zu unterdrücken und somit auch andere Reaktionen zu vermeiden, die Konflikte hervorrufen könnten. Die Strategien werden unbewusst angewendet und unterdrückte Gefühle machen auf Dauer krank.
Die Ursachen hinter dem People Pleasing
Beziehungserfahrungen
- Beschämungserfahrung im Beziehungskontext:
Frühe Beziehungserfahrungen mit unseren engsten Bezugspersonen prägen maßgeblich den weiteren Umgang mit der Welt. Kinder zeigen ihre Bedürfnisse erstmal vollkommen frei. Welche neuronalen „Autobahnen“ unser Gehirn ausbildet ist abhängig von der Resonanz, die Kinder auf die Bedürfnisäußerung, ihr „Ich-Sein“ erfahren. Erleben Kinder, dass ihr authentisch sein auf Ablehnung stößt, hören sie auf, ihre Bedürfnisse zu äußern und ihre Gefühle zu zeigen.
Wer sich schämt stellt sich selbst infrage – PP-Tendenzen sind Momente, in denen wir für unsere Gefühle, Bedürfnisse etc. beschämt werden, denn wir werden so gleichzeitig in unserem eigenen „So sein“ beschämt. Die Beschämungserfahrung lehrt uns, im Kern nicht richtig zu sein, was nachhaltig den Selbstwert schädigt. Die Scham zieht Grübeln und Angst nach sich, an sich gestellte Erwartungen nicht erfüllen zu können. Wir alle können auf unterschiedlichen Wegen in unterschiedlichem Ausmaß Beschämung erfahren, sei es im Elternhaus oder in der Schule. Fest steht: wenn wir häufig die Erfahrung machen, dass unsere Bedürfnisse nicht wichtig sind, werden wir irgendwann nichts mehr wollen.
- Destruktive Parentifizierung:
Bei der d. Parentifizierung werden Kinder in nicht altersgemäße Rollen gedrängt, müssen Verantwortung oder Aufgaben übernehmen, die nicht positiv zur Entwicklung beitragen, sondern auf Kosten der Bedürfnisse des Kindes gehen. Machen wir so eine Erfahrung, fühlen wir uns früh für andere verantwortlich und werden zum klassischen „Kümmerer“. Früh verlieren wir so den Blick für die eigenen Bedürfnisse aus den Augen. Als parentifiziertes Kind lernen wir früh, dass wir uns Beziehung und Zuwendung (Liebe) durch Leistung verdienen müssen, was maßgeblich unser Verhalten in späteren (erwachsenen) Beziehungen beeinflusst.
Bei d. Parentifizierung lernen wir außerdem, dass wir uns nicht auf unsere Bezugspersonen verlassen können, was dazu führt, dass wir uns später schwertun, um Hilfe zu bitten und glauben, alles alleine können und schaffen zu müssen. Wir haben Angst, gesunde Grenzen zu setzen und so von unserem Umfeld abgelehnt zu werden.
Persönlichkeit – Rollenklischees – geschlechtsspezifische Erwartungen
Zwei Faktoren die Teile unserer Persönlichkeit beschreiben, sind für die Entwicklung
von PP Tendenzen besonders relevant: Verträglichkeit und Neurotizismus. Eigenschaften von Verträglichkeit sind zum Beispiel Mitgefühl und Altruismus, wer mehr vom Neurotizismus hat, empfindet negative Emotionen stärker, neigt zum Grübeln und sich Sorgen machen und hat oft ein geringeres Selbstbewusstsein. Auch mit Stress können diese Menschen weitaus schlechter umgehen. Bezieht man noch andere Faktoren mit in die Betrachtung ein, was die Ausprägung von PP. Tendenzen betrifft, kommt man unweigerlich zum Schluss, dass Frauen eher und stärker betroffen sind und sie vermehrt in die Selbstaufopferungsfalle tappen.
Historisch gesehen sind Frauen geübt(er) darin, eigene Bedürfnisse hintanzustellen, vorherrschende geschlechtsstereotype Erwartungen der Gesellschaft tun ihr Übriges. Jungen und Mädchen machen ganz unterschiedliche Erfahrungen, je nachdem mit welchen Vorurteilen und Erwartungen ihnen begegnet wird. Der Klassiker: Steht eine männlich gelesene Person für ihre Bedürfnisse ein, gilt diese als durchsetzungsstark, tut es ihr eine weiblich Gelesene gleich, gilt sie als schwierig und hat den Stempel „Zicke“ oder „Prinzessin auf der Erbse“, der man nichts recht machen kann, weg. Mädchen erkennen früh, dass es negative Konsequenzen für sie haben kann, wenn sie sich nicht entsprechend ihrer Geschlechterrolle verhalten und statt lieb und nett, willensstark und durchsetzungsfähig sind, Umgekehrtes gilt genauso. Mädchen lernen so früh, sich anzupassen und niemandem lästig zu sein. PP. Tendenzen gedeihen so wunderbar! Wie man an diesen Beispielen sieht ist PP. leider nicht geschlechtsneutral, sondern überwiegend ein weibliches Phänomen.
Neben Persönlichkeitsmerkmalen und gesellschaftlichen Erwartungen und Konditionierungen kann sich PP. In einer Kultur der Dauerbewertung noch verstärken. Gerade in den Sozialen Medien möchte jede(r) um jeden Preis gefallen und keinesfalls missfallen. Wir werden von wildfremden Menschen bewertet, fühlen uns toll, wenn wir entsprechen und schämen uns, wenn negative Kritik geübt wird. Dieses Gefallen wollen führt dazu, dass es Nr. 1 Motivator dafür wird, was wir tun oder lassen, unabhängig von unseren eigenen Bedürfnissen oder der eigenen Meinung. Wenn unsere Entscheidungen nur mehr davon abhängen, ob sie anderen gefallen, kann PP. ungehindert gedeihen.
„The only thing wrong with trying to please everyone is, that there´s always at least one person who will remain unhappy- You! (Elizabeth Parker)
Die Folgen von People Pleasing
So wie jedes Verhalten mit selbstschädigenden Tendenzen, ist PP. nichts anderes als
viele andere Phänomene, die uns im Coaching von Menschen begegnen, die den Weg zu uns suchen, weil der Leidensdruck zu groß wird - ein (unbewusster) Lösungsversuch, dessen Preis am Ende zu hoch war. Doch was ist der Preis des PP.?
Dauerstress
PP. sind mit ihrer vollen Aufmerksamkeit ständig im Außen, weshalb es ihnen nicht
gelingt, die eigenen Grenzen wahrzunehmen und sie sich ständig verausgaben, ohne sich zu fragen, ob sie selbst noch über ausreichende Ressourcen verfügen. Zudem fällt es PP. schwer, andere um Hilfe zu bitten, schließlich wollen sie niemandem zur Last fallen- Fazit: Mental Load und Stresslevel sind hoch. PP. sind viel zu erschöpft, um ihr Leben noch zu genießen, sie haben keine Zeit mehr, in Dinge zu investieren, die ihre Energiereserven auffüllen würden, oft werden auch wichtige Sozialkontakte vernachlässigt oder aufgegeben. Stress entsteht bei PP. nicht nur durch die langen ToDo Listen, sondern auch durch den innerlichen Druck, den sie sich machen, indem sie sich ständig fragen, was andere denken oder erwarten und wie sie tunlichst vermeiden können, dass sich jemand von ihnen abwendet und ihr Selbstwert bedroht wird. PP. werden von einem latenten schlechten Gewissen begleitet - zusätzlicher emotionaler Stress entsteht- was richtig Abschalten verhindert. Dieser Dauerstress im Innen wie im Außen ist ein Nährboden für psychische und psychosomatische Erkrankungen.
Niedriger Selbstwert
Für PP. ist ihr Selbstwert abhängig von Bestätigungen im Außen. Es ist ihnen fremd,
liebenswert und gut genug zu sein, ohne jemand bestimmtes zu sein oder bestimmtes zu tun. PP. neigen dazu, sich selbst Situationen zu schaffen, die der Stärkung ihres Selbstwertes dienen sollen. Bei der Erfüllung von Bedingungen, die ihrer Meinung nach Voraussetzung sind, damit sie gemocht werden, legen sie Perfektionismus an den Tag, der als zusätzlicher belastender Verstärker beim PP. hinzukommt. Bekommen PP. in diesen Situationen kein positives Feedback führt das zu Selbstabwertung. Um das Gefühl von Scham, nie gut genug zu sein, nicht spüren zu müssen, versuchen sie immer mehr ihr Selbst, also eigene Bedürfnisse, Wünsche, Werte etc. zu unterdrücken, verlieren immer mehr den Kontakt zu sich selbst und legen noch mehr PP. an den Tag - ein Teufelskreis.
Frust und Unzufriedenheit:
Wie soll es einem Menschen, der wenig Zugang zu seinem wahren Selbst hat, und der
daher kaum seine eigenen Grenzen kennt, sich gesund abgrenzen können? - Genau, es wird PP. nicht gelingen. Wenn uns ein klares, offenes „Nein“ gelingt, weil wir für uns selbst einstehen, wenn wir uns so zeigen, wie wir wirklich sind, bringt uns das den Respekt unserer Mitmenschen ein. Wenn wir zu allem „Ja und Amen“ sagen passiert es, dass wir weniger
ernst genommen werden und wir uns irgendwann ausgenutzt fühlen. Folge ist, dass PP. nie das bekommen, was sie sich selbst wünschen, was unweigerlich zu Gefühlen von Frust und Unzufriedenheit führt. Oft kann sich das dann in Vorwürfen gegenüber anderen äußern, die wiederum mit dem „Jammern“ nichts anfangen können, weil sie Gegenwind von der Person nicht gewohnt sind.
Verlust der eigenen Lebendigkeit:
Nicht selten kommt es vor, dass PP. Berufen nachgehen, mit denen sie sich nicht identifizieren können und Tätigkeiten ausüben, an denen es für sie an Sinnhaftigkeit fehlt und die für sie unbefriedigend sind. PP. halten oft auch schlechte Beziehungen aufrecht, aus Angst nie mehr jemanden zu finden, schließlich halten sich viele selbst für wenig liebenswert. Ständig stellen PP. ihre Bedürfnisse hintan und verfolgen so keine eigenen Träume. Sie leben nicht ihr eigenes Leben, verpassen dieses sogar. Authentisch sein gelingt nicht, da sie Angst haben, andere zu enttäuschen, dabei enttäuschen sie die wichtigste Person in ihrem Leben: sich selbst.
Steigende Anfälligkeit für psychische und psychosomatische Erkrankungen:
PP. befinden sich im Dauerstress, weshalb das Risiko für stressbedingte Folgeerkrankungen bei PP. steigt. Burn-Out, Schlafstörungen, Depressionen und Rückenschmerzen sind hier als Klassiker zu erwähnen. Erschütternd: das Sterberisiko in Verbindung mit psychosozialem Stress steigt um 21 Prozent, was einmal mehr zeigt, wie wichtig es ist, sich rechtzeitig Unterstützung für Veränderung zu holen oder sie selbst anzugehen.
Wege aus dem People Pleasing
1. Introspektion – das eigene Tun beobachten & Muster unterbrechen:
PP. den Rat zu geben, einfach mal etwas mehr für sich zu tun, und so PP. zu überwinden, ist leider ein zu vorschneller Rat mit wenig Wirkung. Wie bei allen Verhaltensmustern, die wir ablegen wollen, weil sie uns nicht dienlich sind, gibt es auch hier keine Abkürzung. Bevor das Haus eingedeckt werden kann, muss es auf einem stabilen Fundament stehen, das gilt auch bei der Überwindung von Verhaltensmustern. Um diese überhaupt unterbrechen und verändern zu können, ist es für PP. nicht primär wichtig, etwas für sich zu tun, was sie aus lauter schlechtem Gewissen gleich wieder lassen, sondern grundlegend eigenes Verhalten zu reflektieren und dann zu verändern. Hilfreich ist, sich in den Situationen, in denen man zum PP. neigt, zu fragen, ob man das wirklich tun möchte, oder es aus Angst vor den scheinbar drohenden Konsequenzen zum eigenen Nachteil nicht tut. PP. bekommen so mehr innere Wahlfreiheit auf die Bitte des Gegenübers BEWUSST eingehen zu wollen, die Bitte BEWUSST abzulehnen und ganz BEWUSST Grenzen zu setzen, das Gefühl von Zwang lässt nach. Die Beobachtung des alltäglichen Verhaltens ermöglicht die Veränderung desselben. Was uns nicht bewusst ist, können wir nicht verändern!
„Wer das eigene Tun beobachtet, tritt aus der Stufe der unbewussten Inkompetenz heraus“ (People Pleasing, Ulrike Bossmann)
PP. werden feststellen, dass die Momente, in denen sie ihr PP. bemerken, immer häufiger und früher wahrgenommen werden können, was eine frühere Kursänderung ermöglicht. PP können sich dann BEWUSST anders als bisher verhalten. PP. wird es nun möglich, andere Erfahrungen zu machen, vorgefertigte Annahmen werden nicht mehr bestätigt. Sie machen die Erfahrung, dass eben nichts Schlimmes passiert, wenn sie sich abgrenzen. Erst wenn die Muster unterbrochen werden, kann sich das wahre Selbst herausschälen. So wird auch der Zugang zu den eigenen Bedürfnissen immer leichter. Ist man gewillt in eine alte Rolle zu fallen fragt man sich, was man selbst gerade braucht (Grundbedürfnisse?) oder warum man sich jetzt so verhalten möchte. Je besser wir Zugang zu unseren Bedürfnissen, Gefühlen und Werten haben, umso bewusster können wir Entscheidungen treffen.
Impathie:
Genauso wichtig wie Empathie im Zusammenleben mit anderen, braucht es auch Impathie für Selbstmitgefühl. Ich mache Klient:innen in der Beratung immer wieder bewusst, dass sie im Dialog mit sich selbst genauso mitfühlend sein dürfen wie im Dialog mit ihren Mitmenschen. Meistens ist der innere Dialog mit uns selbst feindlicher, als jede Auseinandersetzung mit uns unliebsamen Zeitgenossen. Um klar seine Bedürfnisse kommunizieren zu können und auch die dunklen Flecken annehmen zu können, braucht es den guten Kontakt mit uns selbst. Wenn uns das gelingt, braucht es keine Bestätigung mehr im Außen für einen starken Selbstwert, wir können ein authentisches Selbst leben.

Raus aus dem PP. durch gezielte Strategien:
Wie PP. lernen, sichtbar zu werden, dafür gibt es gezielte Methoden, die in Beratungssettings und im Coaching angewendet werden können. Nachfolgende Ziele können durch unterschiedliche Interventionen dafür sorgen, dass PP Tendenzen aufgelockert werden oder gar ganz abgelegt werden:
Ausstieg aus dem Autopiloten - mit Achtsamkeit seinen Wesenskern entdecken
Achtsamkeit ist unerlässlich, damit uns Musterunterbrechung gelingt. Anders können wir nicht wahrnehmen, was gerade passiert. Die Fähigkeit der Eigenwahrnehmung im Moment ist trainierbar. Im Coaching werden unterschiedliche Werkzeuge an die Hand gegeben, wie Achtsamkeit gut gelingen kann. Wichtig ist, ohne Druck Neues auszuprobieren, denn wenn wir unter Stress stehen, fällt es uns schwer, mit dem in Resonanz zu treten, was wir wirklich fühlen.
• Selbstfürsorge
PP. neigen zum Schwarz-Weiß-Denken. Es ist wichtig das Sowohl-Als-Auch als Lösungswege in Betracht zu ziehen. So löst sich auch das innere Programm des Entweder-Oder, das erheblichen Stress erzeugt: „Entweder ich erfülle mir diesen Traum oder ich bin eine verlässliche Arbeitgeberin.“ Auch das Erarbeiten alternativer Lösungswege erfolgt in kleinen Schritten in Coaching und Beratung unter Einsatz unterschiedlicher Methoden. Wichtig ist, dass sich PP. immer wieder daran erinnern, dass ihre Bedürfnisse nicht weniger wichtig sind, als die ihres Umfeldes. Ich darf genauso Raum und Platz einnehmen!

PP. und Pausen oder „Me-Time“ gehen meistens nicht miteinander. Doch um für andere da sein zu können, ist es wichtig, sich selbst Regeneration zu gönnen und herauszufinden, welche unsere Energiequellen sind. Zeit für Selbstfürsorge einzuplanen sollte ganz oben stehen auf der Liste der Veränderung!
• Glaubenssätze hinterfragen
Wie viele Glaubenssätze unbewusst wirken und starke Auswirkungen darauf haben, wie wir durchs Leben gehen und welche Entscheidungen wir treffen oder nicht, durfte ich nicht nur im Coaching schon öfters erfahren, auch mir selbst wurde dies in letzter Zeit schmerzhaft bewusst. Gerade PP. werden in Situationen, in denen es darum geht, sich abzugrenzen und für etwas einzustehen, das ihnen wichtig ist, stark gebremst durch unhinterfragte Annahmen, die sie für wahr halten. Diese Glaubenssätze gilt es (angeleitet im Coaching) aufzudecken. PP. können dann beginnen, ihr Verhalten zu ändern und sich anders zu entscheiden, wenn sie erkennen, dass die Annahmen nicht der Wirklichkeit entsprechen oder sogar übernommen und gar nicht ihre eigenen sind.
Gefühle verstehen
Mein Fokus in der Beratung liegt genau darauf – Anders fühlen – Anders denken – Anders handeln ist nicht nur eine passende gut klingende Alliteration, sondern beschreibt ein nachhaltiges universell gültiges Coachingziel.
Gefühle steuern unsere Gedanken und unser Handeln, aber auch wie wir selbst auf uns und die Welt schauen. #feeltoheal der Meinung war schon der Initiator der emotionsbasierten Psychotherapie, Leslie Greenberg. Gefühle sind unser inneres Leitsystem, und auch jene, die uns sehr nützlich sind, fühlen sich nicht immer gut, sondern mitunter sehr schmerzhaft an. PP. haben oft nur erschwerten Zugang zu ihren Gefühlen, da die Aufmerksamkeit stark nach Außen gerichtet ist. Erst wenn wir bewusst das Gefühl, das Grenzverletzungen in uns auslösen, wahrnehmen, haben wir auch die Möglichkeit zu entscheiden, wie wir die Information weiterverarbeiten. Gefühle geben uns wertvolle Hinweise auf unsere Bedürfnisse und Werte und sind Handlungs- und Entscheidungsweisend.
Die eigenen Werte in den Fokus nehmen
Werte haben die Eigenschaft, uns für uns unverhandelbare Gründe zu liefern, trotz Angs zu handeln und zu tun, was sich für uns im Kern wichtig und richtig anfühlt. Sie vermögen uns mit einer uns innewohnenden Kraft zu verbinden und über uns hinauszuwachsen. Viele PP. haben genauso schlechten Zugang zu ihren Werten wie ihren Gefühlen, weil der Fokus eben stark im Außen liegt. Das Werte basierte Handeln in den Fokus nimmt die ACT (Acceptance und Commitmenttherapie), deren Ansätze auch ich gerne in mein Coaching einfließen lasse.
Selbstwertstabilisierung
Ein wichtiger Punkt PP Tendenzen zu überwinden ist, den Selbstwert nicht mehr von Reaktionen im Außen abhängig zu machen, Beratung macht es möglich, zu lernen, zu seinem „so sein“ „ja“ zu sagen, sich authentisch zu zeigen und ohne Angst vor Ablehnung durchs Leben zu gehen.

Gesunde Ziele ausmachen
In der gesamten Lebensgestaltung sind PP. eher passiv statt aktiv, über eigene Ziele machen sie sich eher wenig Gedanken, stattdessen zeigen sie vollen Einsatz dafür, wenn sie jemand anderem dabei behilflich sein können, Ziele zu erreichen. PP. können sich immer wieder fragen, was verpasse ich, wenn ich weiter nur andere unterstütze? Sie können anfangen, sich selbst eigene kleine Etappenziele bewusst zu stecken.
Listen and communicate carefully!
Wie oft passiert es uns im Alltag, dass wir mit den Kolleg:innen in der selben Besprechung sitzen und hinterher hat jede:r etwas anders verstanden – der Klassiker! Immer kommt es darauf an, mit welchem Ohr wir gerade hinhören und das wiederum ist stark von der Situation und der Beziehung abhängig, in der sich der Empfänger befindet und die er zum Sender hat.
Besonders aktiv bei PP. sind das sogenannte Beziehungs- und das Appellohr. PP. neigen dazu, alles persönlich zu nehmen bzw. sich immer angesprochen zu fühlen und alles als Herausforderung zum Handeln zu verstehen. PP. tun gut daran, auch die anderen Hörkanäle, wie das Sachohr zu trainieren und so nicht alles auf sich zu beziehen. Damit fällt es PP. leichter, weniger emotional und klarer Bedürfnis orientiert zu kommunizieren.

Mit klarer Sprache können wir uns gut abgrenzen- ein klares „Nein“ kann bestimmt und dennoch freundlich sein. PP. haben eine richtige Phobie gegen das Wörtchen „Nein“, weshalb sie es tunlichst zu vermeiden versuchen. Ständig spucken ihnen die vermeintlichen Konsequenzen dieses Wortes im Kopf herum, nie aber haben sie am Schirm, was sie mit dieser Abgrenzung gewinnen. PP. tun gut daran bewusst gegenüberzustellen, WOZU sie "ja" sagen, wenn sie "nein" sagen.
Jedes Mal wenn PP. sich mutig für ein "Nein" aussprechen, machen sie eine korrigierende Erfahrung. Sie merken, dass das "Nein" nicht die befürchteten Horrorszenarien nach sich zieht und die Menschen sich nicht abwenden, sondern oft mit Verständnis reagieren. Machen PP. immer wieder korrigierende Erfahrungen, fällt ihnen die Abgrenzung und somit ein klares "Nein" auch immer häufiger leichter.
Grenzen setzen & achten
Wir alle können mit dem kurzen und effektiven Wort Nein unsere Grenzen kommunizieren. PP. sind geneigt, die eigenen ständig bis zur völligen Verausgabung zu missachten. Gesund grenzen sich PP. ab, wenn sie nicht nur "Nein" sagen, sondern die Grenzen deutlich abstecken, und das hat viel mit klarer Kommunikation zu tun. Mit einer vagen Andeutung, dass einem etwas nicht passt, kann das Gegenüber oft nichts anfangen. Das klare Abstecken von Grenzen impliziert wiederum, dass wir unsere Grenzen auch genau kennen. Sprachlich kann unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden, wo eigene Grenzen sind. „Ich möchte darüber nicht sprechen“, braucht keine Rechtfertigung und hat das Gegenüber zu akzeptieren. Klar Grenzen zu setzen, bringt uns Respekt ein, wir werden für Andere sichtbar. Klar gibt es die ganz hartnäckigen Zeitgenossen, die sich auch nach klarer Ansage nicht an festgesteckte und kommunizierte Grenzen halten und durch übergriffiges Verhalten immer wieder probieren, eigene Mauern zu durchbrechen. Meistens haben wir die Entscheidungsfreiheit, bei "Unverbesserlichen" den Kontakt bis auf ein Minimum zu reduzieren oder bei hartnäckigen Energieräubern, diesen komplett abzubrechen. Die Kontakthäufigkeit zu steuern, ist eine „smoothe“ Form des Grenzen Setzens.

Es ist gut zu wissen, dass PP. immer von der Angst begleitet wird, sich zu blamieren oder etwas falsch zu machen, doch wenn wir gar nicht kommunizieren, verändert das nichts und andere können schließlich keine Gedanken lesen!
„Mutig zu sein und zu sich zu stehen, bedeutet nicht, keine Angst zu haben, sondern trotz der Angst, das zu tun, was man für richtig hält.“
Aushalten, wenn man für andere unbequem wird
Dem Umfeld gefällt es nur selten, wenn man Bitten ausschlägt und "nein" sagt. Das Gegenüber reagiert verbal und/oder gestikulierend #notamused“. Von Augenrollen über Seufzen und vorwurfsvolle Sätze, um beim PP. auf den sensiblen Nerv des schlechten Gewissens zu drücken, können PP. erleben, wenn sie ihre Tendenzen abzulegen versuchen. Mit solchen Reaktionen zu rechnen und sie auszuhalten, ohne gleich in alte Muster zu fallen, lege ich allen PP. ans Herz. Es wird immer Menschen geben, die nicht damit einverstanden sind, was man tut oder sagt. Niemand ist auf der Welt, um es allen recht zu machen.
Es hilft, sich bewusst zu machen, welche Situationen oder welches Verhalten einen selbst schwach werden lassen. Wann es uns besonders schwer fällt, eine Bitte auszuschlagen. Gedanklich weiterzuspinnen, wie man in brenzlichen Situationen reagieren kann, ist ebenso ratsam – sich einen Notfallplan zurechtzulegen sozusagen. Wenn man sich diese Situationen lebhaft vorstellt, hilft das, standhaft zu bleiben und trotz aufkommender Angst das eigene Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.
Adieu schlechtes Gewissen
PP. kämpfen ständig mit schlechtem Gewissen in Momenten, in denen sie auf ihre Bedürfnisse hören und einmal nur tun, was sie möchten, sich abgrenzen, sagen, was sie meinen usw. Das schlechte Gewissen von PP. unterscheidet sich von „normalem“ schlechten Gewissen, das auch „Nicht PP.“ kennen. Es ist Dauergast, auch in Situationen, wo es keinen Grund dafür gibt. Auch hier gilt, vor allem unsere inneren Dynamiken, unsere Gedanken wahrzunehmen, dann sind wir in der Lage, das Steuer zu übernehmen und nicht hilflos ausgeliefert zu sein. Uns gelingt das, wenn wir bewusst aus der Szene aussteigen und diese aus einer Metaebene betrachten, was hier gleichzeitig gelingt: uns etwas von unseren Gefühlen zu distanzieren, eine objektive Betrachtungsweise fällt so leichter. Im Coaching werden Methoden erlernt und durch gezielte Fragestellung trainiert, wie wir Gedanken bewusst reflektieren, sich so unser Gefühl verändert und wir uns anders verhalten.
Es ist erleichternd, sich seiner Gedanken genauso wie seiner Gefühle bewusst zu werden und die Erkenntnis, dass beides da sein darf: Angst und Mut, für sich selbst einzustehen. Achtsamkeit macht uns ein wichtiges Geschenk: die Selbstwirksamkeit. Das Gefühl, allem ausgeliefert zu sein ohne selbst etwas ändern zu können, nimmt ab. Achtsamkeit bedeutet, zu fühlen und nicht gefühlt zu werden, fähig zu sein, die für uns hilfreichen Informationen aus dem Gefühl zu nutzen und uns nicht davon fernsteuern zu lassen.
Fazit
PP. Tendenzen hinter sich zu lassen führt zu mehr Zufriedenheit und Wohlbefinden. Es gibt auf dem Weg, wie immer in der Persönlichkeitsentwicklung, keinen „Quick Fix“ und nicht den einen richtigen Weg, sondern so viele mögliche Lösungen, wie es Individuen gibt. Der Weg der Transformation ist ein "Mehr nach Innen" und ein "Weniger nach Außen" -generell- nicht nur bei PP.

Entwicklungsprozesse verlaufen nicht linear, immer beinhaltet persönliche Entwicklung auch Rückschläge: es gibt Zeiten, da macht man gefühlt 2 Schritte vor und 1 zurück, dann wieder 1 nach vor und 2 zurück. Dieses Wissen ist wichtig, da man sonst jeden Rückschlag als Versagen und nicht Teil des Prozesses wahrnimmt, und man dazu neigt, vorschnell das Handtuch zu werfen.
Bei vielen ist der Anstoß zur persönlichen Veränderung ein einschneidendes Lebensereignis, ein Burnout oder eine andere langwierige Erkrankung rütteln uns wach, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Für dauerhafte Veränderung und einen anhaltenden „Life-Turn“ braucht es Geduld.
„Die einzige Konstante in unserem Leben ist die Veränderung.“
Weiterentwicklung ist ein lebenslanger Prozess. Damit einem auf dem Weg nicht die Puste beziehungsweise Geduld ausgeht, darf man das Erreichen kleiner Ziele feiern. Veränderung (und das gilt nicht nur für PP) heißt immer wieder in sich fühlen und sich zu erlauben zu tun, was sich stimmig anfühlt. Psychische Vorgänge brauchen eine Hinwendung und Selbstreflexion, damit wir erkennen, wo wir stehen. Werden wir älter, müssen wir uns bewusster Erfahrungen aussetzen und Entscheidungen treffen, um unserem Leben eine andere Richtung zu geben. Gelingt uns ein Richtungswechsel, ist das oft die Einladung für die eigene Lebendigkeit und Authentizität, sich anderen zuzumuten, und authentisch mit seinem „So bin ich“ zu zeigen.

*Quellverweis: People Pleasing, Ulrike Bossman, erschienen 2023, Beltz Verlag
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